Angst zu haben hat in unserer Gesellschaft keinen guten Ruf. Dabei ist es in vielen Momenten ganz normal und sogar sinnvoll, Angst zu empfinden. Sie schützt unter anderem davor, sich in große Gefahr zu begeben, zum Beispiel im Gebirge einem Abgrund zu nahe zu kommen. Doch wenn die Angst beginnt, den Alltag zu beherrschen und die Lebensqualität stark einschränkt, wird sie zum Problem. Was ist eine Angststörung? Wie lässt sie sich bewältigen? Was können Angehörige tun, um Betroffene zu unterstützen? Wir klären auf und geben Tipps.
Angst, ein häufiges Phänomen
Es passiert plötzlich und ohne ersichtlichen Grund. Die Brust fühlt sich zugeschnürt an, das Herz klopft überdurchschnittlich, Schweiß bricht aus. Hinzu kommt das Gefühl eines absoluten Kontrollverlustes bis hin zu Todesangst. Die beschriebenen Symptome können bei einer Panikattacke auftreten, einer heftigen akuten Form der Angststörung. Der Stiftung Gesundheitswissen zufolge leiden etwa 15 von 100 Menschen in Deutschland an einer Angststörung. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Angststörungen gehören damit hierzulande zu den häufigsten psychischen Störungen. Neben Angststörungen mit nicht-erkennbarem Auslöser wie der beschriebenen Panikstörung wird zudem unterschieden zwischen solchen mit erkennbarem Auslöser, zum Beispiel Phobien, und der generalisierten Angststörung, bei der Sorgen und übertriebene Befürchtungen ständig und in nahezu allen Lebensbereichen auftreten.
Woher die Angst kommt
Die Wissenschaft geht davon aus, dass eine Kombination verschiedener Faktoren die Entstehung einer Angststörung begünstigt. Neben genetischer Veranlagung geht sie vermutlich auch auf prähistorische Urängste zurück, die unsere Vorfahren vor Mammut, Feuer und Säbelzahntiger schützten. Doch auch Belastungen wie stark empfundener Stress und falsch erlerntes Verhalten fördern sie. Ist eine Angststörung erst einmal ausgeprägt, sollte sie professionell behandelt werden. „Da Angststörungen selten von allein verschwinden und sich sogar verschlimmern können, sollten sie von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten mit einer begleitenden medikamentösen Therapiebehandelt werden. Die gute Nachricht ist, dass eine kognitive Verhaltenstherapie in der Regel eine hohe Chance hat, den Umgang mit der Angst wieder gut in den Griff zu bekommen“, sagt Andrea Jakob-Pannier, Psychologin bei der Barmer.
Konfrontation statt Angst vor der Angst
Ein wichtiger Aspekt der Therapie ist die Negativdynamik der Angst zu durchbrechen. „Viele Personen, die an einer Angststörung leiden, versuchen die ängstigenden Situationen zu meiden. Kurzfristig kann diese Strategie funktionieren. Aber langfristig kann sie auch dazu führen, dass die oder der Betroffene zugunsten des Vermeidens den Kontakt zur Außenwelt aufgeben. Sie igeln sich in ihrem Zuhause ein, fühlen sich in ihrem Umgang mit der Erkrankung bestärkt und die Angststörung bleibt bestehen oder wird sogar stärker“, sagt Jakob-Pannier. Das Leben der Betroffenen finde dann nur noch stark eingeschränkt statt.
Ängstigenden Situationen nicht ausweichen
Um das zu vermeiden, sollten sie immer wieder versuchen, sich der ängstigenden Situation zu stellen. Das Sich-der-Angst-Aussetzen kann Stück für Stück vorangetrieben werden. „Ist die Angst zum Beispiel mit dem Besuch von Supermärkten verbunden, kann ein hilfreicher Weg zur Bekämpfung der Angst sein, zunächst nur kleine, ruhige Supermärkte früh am Morgen oder spätabends aufzusuchen. Die oder der Betroffene erlebt dann, dass ihre Befürchtung, sie sich dort in Gefahr befinden, nicht bewahrheitet. Sie sehen, dass die Situation aushaltbar ist, ohne davon Schaden zu nehmen. Indem sie das erleben und die Angst noch vor Ort abebbt, verliert der Supermarkt seinen Schrecken“, sagt Jakob-Pannier. Beim nächsten Mal kann die Konfrontation dann in einem größeren Supermarkt stattfinden.
So können Betroffene besser mit der Erkrankung umgehen
Die Wahrscheinlichkeit, für Angst und Panik empfänglich zu sein, steigt auch mit dem persönlichen Stresslevel. Regelmäßiger Sport, Yoga und Entspannungsübungen können dazu beitragen, das Aufkommen akuter Angstzustände zu verhindern. „Neben körperlicher Aktivität hilft auch ein gesunder Lebensstil, die Angst zu bekämpfen. Alkohol, Nikotin, Koffein und Drogen sollten gemieden werden. Auch ist es wichtig, ausreichend zu schlafen“, sagt Jakob-Pannier. Zudem sei eine positive Geisteshaltung hilfreich, zum Beispiel indem die Angst akzeptiert wird und Reaktionen des Körpers als Reaktion auf die Angst verstanden werden und nicht als Krankheit.
So können Angehörige unterstützen
Angehörige sollten grundsätzlich dabei helfen, das Vermeidungsverhalten zu verhindern. Dazu gehört auch, den Betroffenen nicht zu viele Aufgaben abzunehmen. Sie sollten die Betroffene oder den Betroffenen ermuntern, die angstauslösende Situation aufzusuchen und sie idealerweise mit den Techniken, die in der Psychotherapie gelernt wurden, auszustehen. „Es muss gelernt werden, dass auch wenn Angst verspürt wird, diese genau dann abfallen kann, wenn man sich der Situation stellt.“, sagt Jakob-Pannier. Auch der Wunsch der Betroffenen nach Körperkontakt sei mit Vorsicht zu genießen. Er suggeriert der oder dem Erkrankten, sie könnten den Angstzustand nur überstehen, wenn sie die Angehörige oder den Angehörigen berührten. (Barmer)